Piłsudski

Piłsudski
Piłsudski
 
[piu̯'sutski], Józef Klemens, polnischer Politiker, Marschall von Polen (seit 1920), * Zułowo (heute Sulowo, bei Vilnius) 5. 12. 1867, ✝ Warschau 12. 5. 1935; entstammte einer ursprünglich litauisch-polnischen Adelsfamilie. 1887 wurde er wegen konspirativer Tätigkeit für fünf Jahre nach Sibirien verbannt. 1893 war Piłsudski Mitbegründer der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), in der er eine führende Rolle spielte. 1900 in Lodz verhaftet, konnte er 1901 entfliehen. Seit 1902 wirkte er in Galizien. Programmatisch stellte er den Kampf um die Unabhängigkeit Polens vor die soziale Revolution. 1906 übernahm er die Führung der »revolutionären Fraktion« der PPS. Seit 1908 bildete er zusammen mit K. Sosnkowski in Galizien bewaffnete Verbände aus, die 1910 als »Schützenverband« offiziell anerkannt wurden. Als »Kommandant« genoss Piłsudski, ein militärischer Autodidakt, bei den »Schützen« uneingeschränkte Autorität und bereitete den Kampf um die Wiedererrichtung eines unabhängigen polnischen Staates an der Seite der Mittelmächte vor. - Am 6. 8. 1914 stieß er nach Russisch-Polen vor, konnte aber den erhofften Aufstand nicht entfachen. Im Rahmen der mit Unterstützung Österreichs gebildeten polnischen Legionen führte er 1914-16 die 1. Brigade, baute aber auch - zunächst geheim - die Polnische Militärorganisation (POW) auf. Nach der Proklamation des Königreichs Polen durch die Mittelmächte (5. 11. 1916 wurde er Mitglied des Staatsrats, aus dem er im Juli 1917 unter Protest austrat. Seit dem 22. 7. 1917 wegen seiner Forderung nach einer unabhängigen polnischen Regierung in Magdeburg in Festungshaft, blieb er aufgrund seiner Kompromisslosigkeit eine politische Autorität und wurde sofort nach seiner Rückkehr am 11. 11. 1918 vom Regentschaftsrat zum Oberbefehlshaber ernannt. In dieser Funktion fiel ihm kurz darauf als »Staatschef« (Naczelnik) auch die politische Gewalt zu, die das im Januar 1919 gewählte Parlament am 20. 2. 1919 bestätigte. Ohne eigene Parteibasis arbeitete er mit Koalitionsregierungen und versuchte, seinen Plan einer osteuropäischen Föderation unter polnischer Führung durch militärische Vorstöße nach Osten zu verwirklichen. Dem Vormarsch bis Kiew (Mai 1920) folgte aber der bolschewistische Gegenschlag bis vor Warschau (Juli/August 1920). Als Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte konnte er dank seiner strategischen Fähigkeiten die drohende militärische Niederlage in einen Sieg wenden (»Wunder an der Weichsel«) und im Frieden von Riga (1921) die polnische Ostgrenze um etwa 250 km vorschieben. Er unterstützte - insgeheim - die Eroberung des Wilnagebietes (1920) durch die 10. polnische Division des Generals L. Zeligowski.
 
Enttäuscht von Parteien und Parlament kandidierte Piłsudski nicht für die Wahl zum Staatspräsidenten und legte 1923 auch das Amt des Generalstabschefs nieder. Seit Juli 1923 lebte Piłsudski als Privatmann in Sulejówek bei Warschau, behielt aber Einfluss auf das Heer. Im Mai 1926 führte er einen Staatsstreich durch und errichtete ein autoritäres System, in dem jedoch weder die Verfassung aufgehoben noch das Parlament beseitigt wurde. Er begnügte sich meist mit dem Amt des Kriegsministers und des Generalinspekteurs und war nur von Oktober 1926 bis Juni 1928 und von August bis Dezember 1930 auch Ministerpräsident. Er schreckte vor Verfassungsbrüchen und vor Gewalttaten gegenüber seinen parlamentarischen Gegnern nicht zurück, stützte sich aber im Allgemeinen auf das Heer und seit 1928 auf einen »Unparteiischen Block« im Parlament. Erst unmittelbar vor seinem Tode wurde die von ihm inspirierte autoritäre »Aprilverfassung« verkündet. Außenpolitisch leitete Piłsudski, der 1933 in Paris vergeblich wegen eines Präventivkriegs gegen Deutschland vorfühlen ließ, die Politik des Aufbaus Polens zur Führungsmacht in Ostmitteleuropa und der Annäherung an Deutschland ein, die durch das Nichtangriffsabkommen von 1934 besiegelt wurde.
 
 
W. Jedrzejewicz: J. P. A life for Poland (New York 1982);
 A. Garlicki: J. P. 1867-1935 (a. d. Poln., Aldershot 1995).

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pilsudski — Piłsudski ist der Name mehrerer Personen Bronisław Piłsudski (1866–1918), polnischer Ethnologe Józef Piłsudski (1867–1935), polnischer Marschall und Politiker …   Deutsch Wikipedia

  • Piłsudski — ist der Name mehrerer Personen Bronisław Piłsudski (1866–1918), polnischer Ethnologe Józef Piłsudski (1867–1935), polnischer Marschall und Politiker Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unterscheidung mehrerer mit dems …   Deutsch Wikipedia

  • Pilsudski — Pilsudski, Józef …   Enciclopedia Universal

  • Pilsudski — (Józef) (1867 1935) maréchal (1920) et homme politique polonais. D abord socialiste, il fut chef de l état (1919 1922) et de l armée contre les bolcheviks, puis de mai 1926 (coup d état) à sa mort …   Encyclopédie Universelle

  • Pilsudski — Pilsùdskī, Josef (1867 1935) DEFINICIJA poljski maršal i političar, na čelu poljske države od uspostavljanja nezavisnosti 1918, od 1926. vlada diktatorski; uspješno vodio obrambeni rat protiv SSSR a 1919 1920, sklopio pakt s Hitlerovom Njemačkom… …   Hrvatski jezični portal

  • Pilsudski — Józef Piłsudski (pl) Cet article est partiellement ou en totalité issu d’une traduction de l’article de Wikipédia en polonais intitulé « Józef Piłsudski » …   Wikipédia en Français

  • Piłsudski — Józef Piłsudski (pl) Cet article est partiellement ou en totalité issu d’une traduction de l’article de Wikipédia en polonais intitulé « Józef Piłsudski » …   Wikipédia en Français

  • Piłsudski (1935) — Piłsudski p1 …   Deutsch Wikipedia

  • Piłsudski coat of arms — Piłsudski Battle cry: Details Alternative names Earliest mention …   Wikipedia

  • PILSUDSKI, JÓZEF° — (1867–1935), Polish statesman, first marshal of Poland. In the early years of his political life, Pilsudski   came into contact with Jews, especially Jewish workers, and the PPS (Polish Socialist Party) founded by him even published a periodical… …   Encyclopedia of Judaism

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”